… setzt sich mit zwei Teilbereichen der Morphologie auseinander, der Wortformen- und der Wortbildungslehre. Zentral sind dabei die Begriffe des Morphems, der kleinsten bedeutungstragenden Einheit einer Sprache, und des Wortes, das sich aus einem oder mehreren Morphemen zusammensetzt. Die Wortformenlehre beschreibt die Veränderung eines Wortes. So verändert sich zum Beispiel der Infinitiv bauen, der bereits eine Wortform darstellt, wenn er in einen Satz eingebettet wird: Du baust eine Sandburg.

Entsteht aus bauen jedoch ein Wort mit neuem Konzept, zum Beispiel bebauen, baulich, Gebäude, der Bau  die Bauten, das Bauen, der Gartenbau, der Landschaftsbauer, der Bio-Bauer, die Bäuerin etc., ist die Morphologie als Wortbildungslehre betroffen. Sie befasst sich mit den Möglichkeiten, den Wortschatz einer Sprache zu erweitern, diese Möglichkeiten zu beschreiben und zu systematisieren. Die morphologische Analyse untersucht jeden einzelnen Wortbildungsschritt in einem komplexen Wort nach bestimmten Kategorien.

… wird die Bedeutung der Morphologie immer wieder hervorgehoben, nachdem sich die Morphologie mit dem Wortschatz, seinen Einheiten und ihren Beziehungen untereinander sowie den Erweiterungsmöglichkeiten auseinandersetzt. Von der ersten Jahrgangsstufe an stellt der Wortschatz – in Wort und Schrift – den Schlüssel zum Verstehen und zur Teilnahme an der Kommunikation dar. Deswegen zieht er sich gerade am Anfang der Schullaufbahn durch mehrere Kompetenzbereiche (vor allem „Sprechen und Zuhören“ sowie „Lesen – mit Texten und weiteren Medien umgehen“), wird jedoch in der Sekundarstufe I, insbesondere aber in Sekundarstufe II nur noch vereinzelt genannt.

Die Wichtigkeit der Morphologie für die Orthografie schlägt sich auch in dem morphologischen Prinzip nieder, das sich in Fachlehrplänen verschiedenster Schularten und Jahrgangsstufen findet: Wortverwandtschaften drücken sich im Schriftbild über die Gleichschreibung des Wortstammes aus. Dies setzt bereits in der ersten Jahrgangsstufe an, wo die Beispiele Haus – Häuser und legen – legt genannt werden.

… ist die Morphologie für den Bereich Orthografie, um die Gründe für den grafischen Erhalt des Wortstamms in Ableitungsbeziehungen verdeutlichen zu können: Die Verwandtschaft zwischen Singular und Plural von Haus wird über <äu> ausgedrückt, auch wenn eine Schreibung wie *Heuser denkbar wäre. Die Auslautverhärtung hingegen wird grafisch nicht realisiert ([s] und [z] in Haus bzw. Häuser sowie [g] und [k] in legen bzw. legt).

Die Morphologie kann Strategien liefern, um das Wortverständnis zu erleichtern und zu fördern: Beziehungen zwischen schreibenbeschreibenverschreibenabschreibenumschreibenSchriftschriftlichverschriftlichen etc. werden nur dank der Morphologie deutlich und helfen, den Wortschatz mithilfe von Wortfamilien zu erweitern und damit die schriftlichen und mündlichen Kommunikationsmöglichkeiten zu vergrößern.

… stecken in allen Kompetenzbereichen. Eine Methode, die häufig im Unterricht eingesetzt wird, ist etwa der „wortschatzdidaktische Dreischritt“ (ursprünglich nach Kühn 2000; leicht, vor allem terminologisch abgewandelt bei Feilke 2009).

Er greift bei der Semantisierung eines unbekannten Wortes und seiner Integration in den eigenen Wortschatz auf verschiedene Kompetenzbereiche zu. (1) Schüler:innen stufen ein Wort beim Lesen eines Textes („Lesen – mit Texten und weiteren Medien umgehen“) oder Hören eines Hörtextes („Sprechen und Zuhören“) als unbekannt ein. Ziel ist es, dieses unbekannte Wort mit Bedeutung zu füllen, es aber (2) nicht nur dem rezeptiven Wortschatz zuzuführen, sondern es (3) auch zu einem Bestandteil des produktiven Wortschatzes werden zu lassen. Schließlich soll das Wort in der eigenen Textproduktion verwendet werden. Die Textproduktion kann dabei mündlich („Sprechen und Zuhören“) oder schriftlich („Schreiben“) erfolgen.

Bei der Semantisierung des Wortes helfen oft morphologische Operationen, wie das Zerlegen in Wortbestandteile oder die Eingliederung in die Wortfamilie („Sprachgebrauch und Sprache untersuchen und reflektieren“). In der Unterrichtspraxis greifen Lehrkräfte daher häufig auf den wortschatzdidaktischen Dreischritt zurück. Die drei Schritte gestalten sich also folgendermaßen: Das Wort wird im ersten Schritt als unbekannt eingestuft, isoliert und semantisiert, im zweiten Schritt variiert und vernetzt, bevor es im dritten Schritt in einem neuen Kontext reaktiviert wird. Der wortschatzdidaktische Dreischritt stellt damit eine Methode und Arbeitstechnik dar, welche im Rahmen eines anderen Kompetenzbereiches mitbehandelt wird.

… werden in der Grundschule Aufgaben häufig so gestellt, dass Wortstamm und Wortbildungsmittel zu unterscheiden sind, um herauszufinden, welche unterschiedlichen Wortbildungen sich daraus ergeben: Welche Wörter entstehen, wenn vor den Stamm {roll} oder nach dem Stamm {roll} ein Wortbildungselement tritt? So kann hieraus Rolle und Roller oder Rollschuhe und Rolltreppe gebildet werden, im Gegensatz zu rollenhinabrollenzusammenrollenausrollen etc. (Brunold et al. 2014: 80). Die Abgrenzung von Komposition, Derivation und Partikelverbbildung legt den Grundstein für ein komplexes Wortverständnis, welches sich zum Beispiel in Aufgaben der 5. Jahrgangsstufe in der Realschule schon zeigt (Bildl et al. 2017: 255): Wonach richten sich Artikel und Wortart in komplexen Wörtern wie Beutefang oder Haustier? Welche Wörter ergeben sich aus der Verbindung mit Suffixen wie -heit-keit-ung bzw. -ig-isch-lich-sam? Dass immer wieder Aufgaben losgelöst von (eigenen) Texten (der Schülerinnen und Schüler) gestellt werden, ist nicht ideal, weil Wörter nie isoliert vorkommen und sich ihr Sinn nur im Satzzusammenhang ganz ergibt.

… finden sich

  • … eine H5P-Übung zur Morphologie, die das Wichtigste zusammenfasst und gleichzeitig die Bedeutung der Morphologie für den späteren Schulalltag verdeutlicht,
  • … ein knapper, sehr lesenswerter Überblick über die Morphologie und ihre Bedeutung für den Deutschunterricht von Nanna Fuhrhop und Astrid Müller,
  • … eine Darstellung von Klaus Peter, die zeigt, wie wichtig Sprachwissen ist, um etwa den Unterschied zwischen bedeutungsähnlichen Wörtern wie fehlerlos und fehlerfrei zu erfassen,
  • … eine Zusammenfassung und einen Test zu den Ausführungen von Peter,
  • … kommentierte Aufgabenbeispiele zur Morphologie aus Schulbüchern verschiedener Schularten.

Nachweise

Bildl, G./Hartwig, Y./Hochleitner-Prell, M. et al. (2017): Deutschbuch. Sprach- und Lesebuch. Realschule Bayern – Neubearbeitung. 5. Jahrgangsstufe. Berlin.

Brunold, F./Mansour, S./Meeh, S. et al. (2014): Jo-Jo Sprachbuch. Grundschule Bayern. 2. Jahrgangsstufe. Berlin.

Feilke, H. (2009): Wörter und Wendungen: kennen, lernen, können. Basisartikel. In: Praxis Deutsch 218, S. 4–13.

Kühn, P. (2000): Kaleidoskop der Wortschatzdidaktik und -methodik. In: Studien zu Deutsch als Fremdsprache. Bd. 5: Wortschatzarbeit in der Diskussion. Hg. von P. Kühn. Hildesheim/Zürich/New York, S. 5–28.


Empfehlungen

Fuhrhop, N./Müller, A. (2018): Wörter bilden und verstehen. Basisartikel. In: Praxis Deutsch 271, S. 4–13.

Peter, K. (2017): Sprachwissen als Schlüsselfaktor beim Umgang mit sprachlicher Variation im Deutschunterricht. In: Standardsprache zwischen Norm und Praxis.Theoretische Betrachtungen, empirische Studien und sprachdidaktische Ausblicke. Hg. von W.V. Davies et al. Tübingen, S. 333–357.